Wer tötete Hanno Klein?

Am 12. Juni 1991 tötet eine Briefbombe Hanno Klein. Seine Familie trauert um ihren Sohn, Bruder, Ehemann, Vater und Großvater. Warum musste Hanno sterben? Hatte er Feinde? Wer profitierte von seinem Tod? So viele Fragen sind offen geblieben. Bis heute wurden seine Mörder nicht gefunden.

Wir wünschen uns, dass der Mord endlich aufgeklärt wird und bitten Sie um Ihre Mithilfe:

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Bitte schreiben Sie uns. Jede Information wird vertraulich behandelt. Die Familie des Opfers ist Ihnen für jeden Hinweis dankbar.

Stationen im Leben des Hanno Klein

1942 wird Hanno Klein im hanseatischen Stade von Johanna Gertrudis Klein, geb. Rauch, als drittes von insgesamt fünf Kindern geboren.

Sein Vater Gunther ist Landessozialgerichtsrat und wechselt mehrfach seine Dienststelle. Infolgedessen wechselt auch Familie Klein öfter den Wohnort: Hanno besucht die Schule in Ravensburg, dann in Oldenburg und legt schließlich das Abitur in Celle ab.

Bereits als Schüler prägt sich Hannos Vorliebe für künstlerisch-musische Aktivitäten: Er liest gerne klassische und zeitgenössische Literatur, spielt Jazz und klassische Musik auf dem Kontrabass und malt. Seine vielfältigen Neigungen beeinflussen auch die Wahl seines Studiums. Fasziniert wendet sich Hanno ganz und gar der Architektur zu. Es sind unter anderem Themen der Stadtplanung, die ihn während seines Studiums in Karlsruhe in den Bann ziehen .

Noch während seines Studiums gründet Hanno eine Familie, mit der er sich, nach Abschluss seines Diploms, 1972 im Norden Berlins niederlässt. Dort beginnt Hanno seine Laufbahn als Architekt und Stadtplaner. 1973 dehnt er sein berufliches Engagement in die Kommunalpolitik aus: Er tritt in die SPD ein und gründet den Arbeitskreis Tegel, aus dem später eine Bürgerinitiative gegen den Bau der Autobahn Tegel hervorgeht.

1976 wechselt er vom Stadtplanungsamt Reinickendorf zur Berliner Senatsverwaltung, zunächst als technischer Referent beim Senator für Bau- und Wohnungswesen, dann als stellvertretender Referatsleiter und schließlich als Projektleiter beim Grundsatzwettbewerb „Strategien für Kreuzberg“ (1977-1980). In dieser Position arbeitet Hanno  mit viel Herzblut am Erhalt der sogenannten „Kreuzberger Mischung“, dem Nebeneinander von Arbeiten und Wohnen im Kreuzberger Kiez. Getragen von der breiten Unterstützung der Kreuzberger Bevölkerung hatte das Projekt Erfolg und galt als gelungenes Beispiel der Stadtteilsanierung.

Von 1981 bis 1989 kümmert sich Hanno Klein im Auftrag des Senators für Stadtentwicklung um die Konzeption und Durchführung großer stadtplanerischer Wettbewerbsverfahren. Die Ergebnisse aus diesen Wettbewerben dokumentiert er mit seinem Team in Form von Ausstellungen, Symposien und Publikationen, die auch über Berlins Grenzen hinweg Beachtung finden.

Der 47-Jährige wird 1989 Referatsleiter der Senatsbauverwaltung. Gleich nach dem Fall der Berliner Mauer bezieht er als einer der Ersten ein Büro in der Behrenstraße im bisherigen Osten der Stadt. Ihn reizen nun vor allem städtebauliche Planungen mit gesamt-berliner Perspektive. Es ist seine Aufgabe, Unternehmen zu finden, die bereit und in der Lage sind, in die gewaltigen städtebaulichen Veränderungen nach dem Mauerfall zu investieren. Alle Interessenten, die Grundstücke an der Friedrichstraße, Unter den Linden, am Potsdamer Platz und an anderen exklusiven Standorten im Herzen Berlins kaufen wollen, müssen ihre Projekte vorher mit Hanno besprechen. Ein sogenannter Koordinierungsausschuss trifft letztlich die Entscheidung über den Zuschlag für millionenschwere Bauvorhaben – Entscheidungen, die von Hanno und seinem Team vorbereitet werden.

Am 12. Juni 1991 beendet eine Briefbombe jäh das Leben des Hanno Klein. Er wurde 48 Jahre alt. Die Täter wurden nie gefasst.

Ein Leben „mit Ecken und Kanten“

Verwandte, Freunde und alle anderen Menschen, die Hanno zu Lebzeiten begegneten, kannten ihn als einen Menschen mit einem ungewöhnlich intensiven Verhältnis zum Leben. Nichts war ihm wirklich gleichgültig, alles hatte  immer Grund oder Bestimmung, fügte sich in eine Ästhetik, die entweder zu beschützen oder zu verurteilen war. Ganz und gar durchdrungen war Hanno von der Lust am Neuen, an der Veränderung. Scheinbare Widersprüche wurden pragmatisch vereint, einmal bezogene Standpunkte zugunsten von noch besseren problemlos verlassen. – Hanno Klein war im besten Sinne ein Freigeist, der sich nur wenig um Vorschriften kümmerte. Er fühlte sich an vielen Orten wohl: ob in Galerien oder auf Trödelmärkten, Nietzsches „Wille zur Macht“ war ihm ebenso nah, wie Margarete und Alexander Mitscherlichs „Unfähigkeit zu trauern“ und seine Begeisterung für die Beach Boys stand in keinerlei Widerspruch zu seiner Leidenschaft für das Werk Richard Wagners.

Scheu vor Konflikten war Hanno fremd. Vorgesetzte, Mitarbeiter, Geschäftspartner, aber auch Familie und Freunde schätzten seine lebensfrohe, ja geradezu enthusiastische Art und fürchteten bisweilen den streitbaren Verhandlungspartner. Jede kreative Provokation war ihm lieber als der Rückzug auf den Status Quo. Bequemlichkeit, Langeweile, Einfältigkeit und alle anderen Ausdrucksformen von Stillstand waren für ihn das Gegenteil von dem, was er als das richtige Leben erkannte, ein Leben „mit Ecken und Kanten.“  Es war typisch für Hanno, dass er sich öffentlich für mehr Mut zu einer neuen großstädtischen Architektur aussprach – jenseits der berühmten Berliner Traufkante – und dieses mit den Worten formulierte, Berlin brauche eine neue Gründerzeit mit „Markanz und Brutalität“. Das Interview mit diesem bewusst auf politische Inkorrektheit abzielenden Zitat wurde vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ drei Monate vor Hannos gewaltsamen Tod gedruckt.

Die Tat

Pariser Straße 62, Berlin Wilmersdorf. In der Nacht vom 12. Juni 1991 öffnet Hanno Klein in seiner Wohnung einen wattierten, an ihn adressierten Briefumschlag. Der Umschlag trägt den Absender „Büchergilde Gutenberg“. Was Hanno nicht weiß: der Absender ist gefälscht und der Inhalt des Päckchens, eine Videokassette, ist eine Tarnung. Es ist die Stunde zwischen 22 und 23 Uhr. Die Bombe explodiert in Hannos Händen und zerreißt sofort sein Gesicht. Erst am nächsten Morgen wird seine Leiche entdeckt.

Eine Sonderkommission nimmt sofort die Ermittlungen auf. Zu den Hauptverdächtigen gehören die militante Linke, die sogenannte Baumafia und die Stasi. Am 17. Juni geht bei der Deutschen Presseagentur ein Bekennerschreiben ein. Absender ist die „Aktion gegen die Umstrukturierung Berlins zum Nachteil der Kiezbewohner“. Zweifel an der Echtheit bleiben bestehen. Am 29. März 1995 beendet die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Der oder die Täter bleiben im Dunkeln.

Nachrufe

(Zu)Später Dank an Hanno Klein

Tagesspiegel, 27.06.1991

Mit Hanno konnten wir diskutieren, flachsen, hart und erfrischend streiten und doch immer wieder gemeinsam handeln. Ihm zu danken für seinen ungestümen Einsatz für unsere Ziele, der Schaffung von wertgleichen Lebensverhältnissen in SO 36, dazu war noch nicht die Zeit.

Die gute Idee, die durchgreifende Sanierung durch einen neuen Prozeß der Stadtentwicklung abzulösen, wäre, trotz des politischen Schubs der damals Verantwortlichen, nicht zu dem Erfolg der Strategien für Kreuzberg gereift, hätte Hanno Klein nicht sein Engagement, Wissen und sein organisatorisches Durchsetzungsvermögen eingebracht.

Heute, bei dem Ausbau der Mitte Berlins, stehen wir vor dem Beginn neuen furchtbaren Streits über Inhalte, Funktionen, Formen und Qualitätsansprüche.

Sein Umsetzungstalent wird fehlen. Die Friedrichstadt, vielleicht die Luisenstadt, wäre mit ihm, wie einst der Südosten, zügig an Verwaltungshemmnissen vorbei  entwickelbar.

Claus Annus-Simons, Heinrich Heseding,

Günter König, Günter Kokott, Michael Rädler,

Rudi Pieschker, Gerhard Tröstrum,

Peter Wardin, Gerd Wartenberg, Bernd Wilde,

Burghard Hoffmann, Georg Nassauer

Mordopfer Hanno Klein beigesetzt

taz Berlin, 26.06.1991

Nagel: der Referatsleiter war einzigartig / „Er wollte eine neue Stadt inszenieren“

Berlin. Hanno Klein sei „ungewöhnlich und in gewisser Weise einzigartig in der Berliner Verwaltung gewesen. Mit diesen Worten charakterisierte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) gestern seinen am vorvergangenen Mittwoch ermordeten Referatsleiter. Hanno Klein der einem mit einer Briefbombe verübten Attentat zum Opfer gefallen war, wurde gestern Vormittag auf dem Dreifaltigkeitskirchhof in Kreuzberg in Anwesenheit seiner Angehörigen und vieler Kollegen beigesetzt.

Klein habe gestanden „für das neue, das wiedervereinigte Berlin, für dessen Zukunft er arbeitete und stritt und für das er vielleicht auch sterben musste“, sagte Nagel in einer Rede vor den über 100 Trauergästen. Als einer der ersten sei Klein im Frühsommer 1990 bereitwillig der Bitte gefolgt, den Magistrat in Ostberlin zu unterstützen.

Klein sei „der Kollege mit immer mindestens zwei Arbeitsplätzen“ gewesen, „charmant und kreativ, witzig und humorvoll, bisweilen aber auch herrschaftlich“, zitierte Nagel eine ehemalige Kollegin des Referatsleiters. Schon lange vor dem Fall der Mauer habe Klein eine „Vision von Berlin“ verfolgt, die „nicht von Routineabwägungen im stadtplanerischen Alltag“ bestimmt gewesen sei und „nicht allein geprägt von der Überlegung, wo denn und in welcher Größenordnung jemand bauen und investieren sollte“. Klein habe eine „neue Stadt“ und „ein neues Lebensgefühl“ inszeniert, sagte der Bausenator. Von den Vorhaben, mit denen Kleins Name verknüpft war, nannte Nagel die „Strategien für Kreuzberg“, die Überbauung des Halenseegrabens und die Neuplanung der Friedrichstadt-Passagen. Klein betreute auch, wie berichtet, die Ansiedlung einer Daimler-Benz-Zentrale am Potsdamer Platz.

Neben Nagel waren sein Amtsvorgänger Georg Wittwer (CDU) und der ehemalige Ostberliner Stadtrat für Stadtentwicklung Clemens Thurmann (SPD) unter den Trauergästen.

Die Polizei, die nach dem Mord an Klein eine fünfzehnköpfige Sonderkommission eingesetzt hatte, fand bis heute keine heiße Spur. Die Echtheit eines am letzten Montag eingetroffenen Bekennerschreibens ist umstritten.

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